Bei gewissen Haltern gehen wir vorbei, ohne vorher ein Treffen zu vereinbaren. Wir wissen längst, wo sich ihre Esel befinden.
AUF ESELTOUR
Alle paar Monate sehen die Tierärzte im Einsatz in der Region von Gotse Delchev nach den Eseln, die sie in diversen Dörfern regelmässig betreuen. Das bedeutet Entlausung, wenn nötig medizinische Versorgung und vor allem viel Hufpflege.
Und manchmal werden dem Esel zuliebe gar laufende Farmarbeiten unterbrochen. Da alle froh um unsere Hilfe sind, beschwert sich niemand.
In Gospodintzy treffen wir einen der wenigen noch übriggebliebenen Esel. Das Halten der genügsamen Tiere wird auch in diesem nahe Banichan und unserem Eseltal gelegenen Dorf immer seltener.
Während wir Marco untersuchen meint dessen älterer Besitzer, dies sei nun vermutlich ihr letztes gemeinsames Jahr. Er fragt, ob wir Marco zu gegebener Zeit ins Tal nehmen würden, er seinen alten Gefährten ab und zu aber doch noch für die Arbeit auf dem Hof ausleihen dürfte. Esel lieben Beschäftigung, wie sollten wir eine solche Bitte also abschlagen.
Eine leere Scheune weist uns stets den Weg zum nächsten Patienten.
Diesmal finden wir ihn auf einem verlassenen Grundstück in der Nähe. Es ist üblich, dass die Besitzer ihre Esel an einem langen Seil angebunden grasen lassen. Damit sie nicht davonlaufen, ist dieses an einem Fuss befestigt.
Beslen liegt in einer sehr schönen Landschaft, dass unser Freund die herrliche Aussicht geniesst, bezweifeln wir allerdings. In erreichbarer Nähe gibt es kaum Schatten, er ist gnadenlos der Sonne ausgesetzt.
Seine Beine zeigen deutliche Spuren heftiger Insektenstiche.
Für Besuche in Beslen melden wir uns jeweils vorher an. Das Dorf liegt ziemlich weit von unserem Tal entfernt, sodass ein Ausflug ins Blaue nicht drinliegt. Die älteren Besitzer warten indessen stets zu Hause auf uns.
Wer nicht warten kann bis wir kommen, lässt seinen Esel entweder angebunden oder frei im Hof.
Trotz der grossen Erfahrung unserer Mitarbeiter ist die Unterstützung der Eigentümer willkommen und manchmal auch unumgänglich.
Handelt es sich beim Patienten gar um ein temperamentvolles Jungtier, ist dieses Teamwork erst recht gefragt.
Die Gegensätze sind oft gross. Da ist zum Beispiel der gefügige Ushko (deutsche Bedeutung «kleines Ohr»), der alles stoisch über sich ergehen lässt - einer unserer geduldigsten Freunde in der ganzen Region.
Wir sind am Putzen von Ushkos Hufen, da taucht sein fürsorglicher Besitzer mit medizinischem Spray auf und besprüht seinen treuen Gefährten. Damit soll dieser zumindest eine Zeitlang vor plagenden Insekten geschützt sein.
Häufig treffen wir Beschwerden wie Ekzeme an. Durch pausenlose Insektenstiche werden diese im Sommer deutlich schlimmer.
Falsch behandelte Wunden verstärken das Leiden.
Eine regelmässige Klauenpflege ist für die Eselgesundheit entscheidend; sie beeinflusst sowohl Körperhaltung und Lebensqualität als auch die Arbeitsfähigkeit massgeblich.
Ausbleibendes oder unregelmässiges Trimmen führt meistens zu einer allgemeinen Vernachlässigung. Betroffene Esel können nicht mehr arbeiten, haben kaum Bewegung und müssen zu viel Zeit in ihren Ställen verbringen.
Ein weiteres häufiges Problem wird durch das zu lange Tragen von Hufschuhen verursacht. Das grösstenteils bergige Gelände ist ziemlich felsig, weshalb viele Besitzer zum Schutz der Hufe ihre Tiere beschlagen. Für die Arbeit in den warmen Monaten ist das in Ordnung, entfernen sie die Schuhe aber auch während des Winters nicht, dringt Feuchtigkeit zwischen Eisen und Huf ein. Dies wiederum hat das Auftreten einer Soorinfektion am Weichgewebe des Hufes zur Folge. Eine solch schmerzhafte und langwierige Infektion ist schon aufgrund des starken Geruchs schnell feststellbar.
Ein gutaussehender, sich gut fühlender Esel läuft auf gutaussehenden, sich gut anfühlenden Hufen. Für die Gesundheit und Lebenserwartung ist deren Pflege unerlässlich.
Wir sind immer offen für neue «Kundschaft». Diese Familie hat soeben einen älteren Esel erhalten. Um uns vorzustellen und bei Bedarf unsere kostenlose Hilfe anzubieten schauen wir beim Neuankömmling und dessen noch unbekannten Besitzern vorbei.
Unser neuer Schützling ist in den Zwanzigern und trägt sehr alte Eselschuhe. Wir entfernen sie, säubern und trimmen die Hufe. Es ist nötig!
Der Esel zeigt deutliche Spuren von Vernachlässigung. Wie in den meisten solcher Fälle wurde er für eine magere Summe erworben. Zwischenhändler kaufen Esel für fast nichts ein und verkaufen sie mit einem kleinen Gewinn weiter. Richtig gepflegt birgt dieses Tier aber viel Potenzial.
Wir laden die neue Familie ein, sich unserem Eselprojekt anzuschliessen und erklären ihre Vorteile sowie die Verpflichtung bezüglich Abgabe ins Tal der Esel, wenn sie das Tier nicht mehr wollen. Wir drängen niemanden – jeder soll über eine Zusammenarbeit mit uns frei entscheiden.